Vorschlag zur Umbenennung der Hindenburgstrasse

In der Gemeinderatssitzung am 26. Oktober wird über die Umbenennung der Hindenburgstraße beraten. Hier einige Überlegungen unserer Fraktion dazu, warum uns das Thema wichtig ist:

Muss diese Straßenumbenennung sein? Haben wir nichts Wichtigeres zu tun?

Natürlich gibt es wichtigeres. Das gibt es immer. Aber 77 Jahre nach Kriegsende ist es wirklich Zeit, sich um die verbliebenen Überbleibsel aus der Nazizeit zu kümmern. Wenn man es noch weiter rausschiebt, wird’s nimmer was!

Vermutlich ist den meisten sogar eine solche Umbenennung ziemlich egal; andere haben sich an den Namen „gewöhnt“. Manche haben vielleicht sogar keine konkrete Vorstellung von der Person Hindenburg.

Was war denn so schlimm an Hindenburg?

Die drei wichtigsten Kritikpunkte (neben anderen) sind:

Im Ersten Weltkrieg hat Hindenburg ab 1916 als Chef der obersten Heeresleitung alle politischen Kräfte auf das Schärfste bekämpft, die für Friedensverhandlungen eintraten (z.B. Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg oder Matthias Erzberger). Hindenburg propagierte bis zuletzt den sogenannten Sieg-Frieden. Noch 1918 ließ er eine Serie von militärischen Offensiven durchführen, die hunderttausenden Soldaten das Leben kostete (auf beiden Seiten). Erst als das Heer völlig ausgeblutet war, Soldaten sich massenweise dem Feind ergaben, erste Meutereien begannen und es im Deutschen Reich nach Revolution roch, konnte sich Hindenburg beim Kaiser nicht mehr durchsetzen und musste die bedingungslose Kapitulation hinnehmen.

Nach dem Krieg vertrat er die Dolchstoßlegende, wonach ein Sieg möglich gewesen wäre, wenn das im Felde unbesiegte deutsche Heer nicht von hinten erdolcht worden wäre. Damit waren insbesondere die Befürworter von Friedensverhandlungen gemeint. Die demokratischen Kräfte der Weimarer Republik wurden damit diskreditiert. Die Saat für politische Gewalttaten gegen Demokraten war gesät.

Zu Ende seiner Zeit als Reichspräsident regierte Hindenburg zunehmend durch Notverordnungen. Er unternahm keine Anstrengungen, die demokratischen Kräfte zusammenzuführen. Vielmehr strebte er ein Ende der parlamentarischen Demokratie zugunsten der Idee eines autoritären Volkstribuns an, der das deutsche Volk über alle Parteigrenzen hinweg zu Einigkeit und damit zu alter Stärke führen sollte. Sein Ideal war nicht die parlamentarische Demokratie, sondern ein autoritärer Staat. Als Hitler schließlich im Januar 1933 zu einer Regierung unter Einbeziehung aller nationaler Kräfte, also nicht nur der NSDAP, bereit war, sah Hindenburg in ihm den Garant der nationalen Einheit und ernannte ihn zum Reichskanzler. Es kam ihm dabei nicht in den Sinn, Hitler in seiner Macht in irgendeiner Weise zu beschränken, um demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien zu gewährleisten. Im Gegenteil: Durch seine präsidialen Notverordnungen gab er Hitler alle Werkzeuge an die Hand, eine Diktatur zu errichten. Hindenburgs politisches Ziel war ja die Abschaffung der Weimarer Demokratie.

Wie kam es in Metzingen zur Namensgebung „Hindenburgstraße“?

Nach Hitlers Machtergreifung wurden alle politischen Gremien gleichgeschaltet, auch der Metzinger Gemeinderat, in dem dann fast nur noch NSDAP-Stadträte saßen. Am 1. Mai 1933 wurde im Gemeinderat die Umbenennung der Bahnhofstraße in Hindenburgstraße beschlossen. Gleichzeitig wurde der Lindenplatz in Adolf-Hitler-Platz und die Volksschule in Hindenburgschule umbenannt. Die Nazis nutzten 1933 den Mythos Hindenburgs ganz gezielt, um ihr Ansehen in der Bevölkerung, vor allem in bürgerlich-nationalen Kreisen, zu steigern. Solche Umbenennungen gab es am 1. Mai 1933 in vielen deutschen Städten. Der Name Hindenburgstraße ist ein Überbleibsel der NS-Propaganda.

Haben andere Städte ihre Hindenburgstraße umbenannt?

Metzingen hat 1996 die damalige „Hindenburgschule“ bereits umbenannt in Sieben-Keltern-Schule. Auch viele andere Städte haben bereits ihre Hindenburgstraße umbenannt (z.B. Hannover, Freiburg, Bühl). Andere Städte haben Zusatzschilder angebracht. Wenn man allerdings ein Zusatzschild mit den negativen Hintergründen zu Hindenburg liest, so fragt man sich: „Warum heißt denn die Straße dann noch so, wenn der Hindenburg solch ein übler Mensch war? Dann macht‘s doch weg!“ Denn auch mit einer solchen Erklärung heißt die Straße eben weiterhin Hindenburgstraße, die Distanzierung ist halbherzig.

Wie kann die Umbenennung aussehen?

Wie der neue Namen lauten soll sind wir nicht festgelegt, aber: Wir können uns gut „Sophie-Scholl-Straße“ oder „Friedensstraße“ vorstellen. Auch das wäre ein klares Signal bei der aktuellen Lage (Erstarkung Rechtspopulismus, Ukraine-Krieg). Wir sind aber auch für andere Vorschläge offen.

Welche Folgen hat eine Umbenennung für die Anwohner?

Die Umbenennung sollte mit einem Fristvorlauf von mindestens einem Jahr erfolgen. So können sich betroffene Läden/Gewerbetreibende bei der Beschriftung von Werbeartikeln oder Visitenkarten darauf vorbereiten und möglichst alte Bestände aufbrauchen. Privatpersonen müssen die Anschrift im Personalausweis ändern lassen und die Adressänderung ihren persönlichen Kontakten und Firmen mitteilen. Allerdings werden sicherlich Briefe mit dem falschen Straßennamen auch noch viele Jahre später zugestellt werden. Alles in allem ein überschaubarer Aufwand (ähnlich zu Umzug oder Änderung der Bankverbindung).

Es wäre auch ein starkes Signal, dass es nicht egal ist, dass eine Straße nach einem Kriegsverbrecher und Demokratiefeind benannt wird, und dass es nicht egal ist, wenn das Nazi Propagandaerbe in unserer Stadt immer weiter am Leben gehalten wird. Es wäre ein Statement für Menschlichkeit und Freiheit. Ein solches Statement wäre in der heutigen Zeit sehr hilfreich, denn die demokratischen Werte kommen immer stärker unter Druck.

Übrigens: Die Sieben-Keltern-Schule wurde bereits 1996 umbenannt, sie hieß vorher auch Hindenburgschule.

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